Besteigung Kilimanjaro über die Machame-Route - Oktober 2010

11.10. Start der Wanderung - Machame Camp (3100m)

Im übervollen Bus geht es zum Machame Gate auf 1828m. Hier herrscht ein ziemlicher Trubel und erstaunt beobachte ich das hektische Treiben. Hier wird gepackt, gewogen und verhandelt. Um 11h laufen wir endlich los, ein Träger zeigt uns den Weg, denn von unserem Guide ist nichts zu sehen. Manche Träger hben abenteuerliche Tragetechniken und balancieren grosse Gepäckstücke einfach auf dem Kopf. Wir wandern auf einem gut ausgebauten Pfad durch den Regenwald aufwärts, Peter wie gewohnt weit voraus.
Beim Lunch bekommen wir erstmalig die anderen 180 Kunden zu spüren, die mit uns heute gestartet sind. Alle Waldplätze sind voll und es ist sehr laut. Ein echter Schock nachdem es am Mount Kenya noch so beschaulich war. Viele (englischsprechende) Kunden benehmen sich ziemlich respektlos und Andreas spricht aus, was alle denken: "Was für eine dekadente Scheisse! Hier sind sehr viele Dilettanten am Berg". Recht hat er!
Das Essen ist gut und danach werden erstmal Gruppen überholt, bis wir einigermassen ruhig laufen können. Bis zum Machame Camp kommen wir gut durch, schliesslich sind wir ja auch ordentlich akklimatisiert. Ein später Nachmittagssnack aus Popcorn und Keksen gibt neue Kraft. Guide Fernando trifft am Abend ein und verspricht für die kommenden Tage eine bessere Organisation.
Als sich der Tag auf das Ende zugeht, kommt es noch zum Highlight: der Kibo zeigt sich wolkenfrei. Er ist nicht umsonst der höchste, freistehende Berg der Welt. Sein Anblick ist gewaltig und alle sind begeistert.

12.10. Shira Camp (3840m)

Am Morgen gibt es Tee und eine Waschschüssel am Zelt, Outdoor-Zimmerservice sozusagen. Nach einem kräftigen Frühstück geht es weiter aufwärts. Die Route ist extrem voll, ein ständiges Stop&Go, was ziemlich an den Nerven zerrt. Wir überwinden die Baumgrenze und gewinnen zunehmend an Höhe. Zum Mittag setzt starker Regen ein. Ich harre der Dinge und lasse die anderen ziehen, verlaufen kann man sich bei den vielen Menschen sowieso nicht. Auf nassem Untergrund mache ich die letzten Höhenmeter und erreiche nach 4,5 Stunden das Shira Camp. Der Kopf ist klar und alle Sachen sind glücklicherweise trocken geblieben.
Gegen Abend verschwinden die dichten Wolken und der Kibo zeigt sich. Nun ist er schon deutlich näher. Die Träger versammeln sich zum Singen für ihren Berg. Mit der Nacht wird es auch empfindlich frisch, so dass sich alle früh in den Schlafsack verkriechen. Viele Leute kämpfen auch schon mit den Strapazen, so dass der Lautstärkenpegel im gesamten Zeltlager schon deutlich niedriger ist.

13.10. Barranco-Camp (3950m) / Besteigung Lava-Tower

Am Morgen ist der Zelteingang mit dünnem Eis überzogen. Heute führt uns Assistant Guide Mark im soliden Tempo. Anfangs ziehen wir spielend an einer anderen Gruppe vorbei und haben dann den ganzen Tag über unsere Ruhe. Jan und Sabine können nicht mehr folgen und laufen die restliche Tour als Zweiergruppe. Bis auf 4600m führt der Weg bergauf durch die Lava-Wüste. In der Ferne sehen wir die Träger einer anderen Kilimanjaro-Route.
Zur Mittagszeit wird dann auch der Lava-Tower sichtbar, der etwa 80 Meter hohe markante Fels. Andreas, Hauke und ich entschliessen uns zum Aufstieg, der bis auf zwei heiklere Stellen in 10 Minuten problemlos gelingt. Da etwas Nebel aufzieht, verweilen wir nur kurz auf dem Gipfelplateau (4655m).
Schliesslich steigen wir ins Barranco-Tal ab (3950m). Fünf Stunden haben wir heute benötigt (7-8h waren angesetzt). Selbst unser Guide Fernando hat inzwischen mitbekommen, dass er eine ungewöhnlich schnelle Fünfer-Truppe betreut und zollt uns seinen Respekt.
Vom Zeltplatz aus können wir die gewaltige Barranco Wall sehen, die wir morgen durchsteigen müssen. Christiane ist wohl etwas mulmig, da dort geklettert werden muss, aber natürlich wird sie diese Aufgabe mit Bravour meistern. In der Ferne sehen wir die unzähligen Lichter aus der Stadt Moshi.
Als der Abend eigentlich schon im Regen ausklingt, passiert mir das Unglück: ich versuche, möglichst schnell ins Essenszelt zu kommen und falle über eine Zeltschnur. Neben einem ordentlichen Schrecken habe ich mir die linke Hand aufgerissen, das rechte Knie verletzt und ich habe Abschürfungen über dem linken Auge. Dank Christianes Unterstützung sind die Wunden bald versorgt. Da habe ich grosses Glück gehabt!

14.10. Barafu Camp (4650m)

Wir stehen um 5.30h auf um möglichst früh in der Wand zu sein. Das Zelt ist wieder steif gefroren. In der Wand treffen wir auf eine dänische Gruppe, die nur sehr langsam vorwärts kommt. Mit Erstaunen sehen wir wie Einzelne nur mit grosser Hilfe vorwärts kommen. Als diese Gruppe einmal überholt ist, geht es im gewohnten Tempo weiter. Sagenhafte 66 Minuten brauchen wir für die gesamte Wand und haben eine grandiose Aussicht auf Heim-, Kersten- und Deckengletscher. Danach rollt unser Express weit vor den anderen Gruppen durch das Gelände. So macht die Sache richtig Spass!
Um 15h erreichen wir das Barafu-Camp. Auf dem abfälligen Gelände haben wir gute Zeltplätze bekommen. In der Ferne sieht man den Mawenzi aus den Wolken ragen. Nun müssen nochmal alle Kräfte gesammelt werden, denn um 23h soll die Gipfelnacht beginnen. 

15.10. Uhuru Peak (5895m) - Mweka Camp (3100m)

Was zieht man an, wenn man 6700km von Zuhause entfernt den höchsten Berg Afrikas besteigen will und mit -20°C und eiskalten Winden rechnen muss?

Ich entscheide mich für zwei Paar Socken (eines sehr warm), Unterhose, lange Unterhose, Trekkinghose, Regenhose, T-Shirt, 2 Pullover, 3in1-Jacke, Fleece-Mütze und 2 Paar Handschuhe.

Der lange Tag beginnt anders als erwartet, denn lediglich Andreas ist um 23h bereit. Gemeinsam wecken wir unbeabsichtigt die im Essenszelt schlafenden Helfer. Es gibt warmen Tee und Kekse.
Dann ist es soweit, um 0.10h brechen wir mit den Guide Reginald und Mark auf. In der sternenklaren Nacht zeichnet sich der Berg deutlich und hoch ab. Unzählige Stirnlampen sind bereits nach oben unterwegs.
Reginald legt los wie von der Tarantel gestochen. Wir überholen und überholen andere Leute. Was hat der Junge vor? Wir versuchen ihn etwas zu drosseln, denn was sollen wir mitten in der Nacht auf dem Gipfel?
Die Nacht zieht sich dahin, immer wieder prüfe ich mit dem GPS unsere gewonnene Höhe. Das Atmen fällt langsam schwieriger und dann ist für Peter auf 5550m plötzlich Schluss. Er gibt auf und geht mit Mark zurück zu den Zelten. Schade.
Jetzt ist es bei uns anderen ein starker Wille, der uns weiter vorantreibt. Reginald und Christiane laufen vor mir, Andreas und Hauke hinter mir. Die Gruppendynamik hilft gegen die aufkommende Kälte und die Erschöpfung. In der Dunkelheit erreichen wir den Stella Point (5740m) und die Gewissheit, dass nur noch 150 Höhenmeter fehlen, gibt neue Kraft. Also ziehen wir am wunderschönen Rebmanngletscher vorbei und ich sehe in einiger Entfernung Blitzlichter. Aha, da ist also das weltberühmte Holzschild, was den Gipfel des Seven Summit kennzeichnet.
Überglücklich gratulieren wir uns zu dieser tollen Leistung und werfen uns in Gipfelpose. Ich kann mich nicht erinnern jemals so erschöpft gewesen zu sein.
Beim Abstieg wird es dann hell und langsam wärmer. Uns kommen viele gezeichnete Menschen entgegen, einige werden an der Hand geführt um irgendwie auf den Gipfel zu kommen. Wir steigen schnell ab und es ist sehr staubig. Gegen 8h sind wir schon wieder bei den Zelten. Nun haben alle Kopfschmerzen und brauchen erstmal Ruhe.
Sabine war etwa eine Stunde nach uns auf dem Gipfel und hat grosse Probleme bekommen (Hände und Beine sind unnatürlich angeschwollen), sie muss dringend weiter absteigen.
Nach dem Mittagessen steigen wir zum Mweka Camp (3100m) ab. Peter geht es auch wieder gut und zeigt keine weitere Schwäche. Die etwas trostlose Steinwüste geht dann auch erfreulicherweise in Regenwald über, so dass sich das Auge auch wieder an Grüntönen erfreuen kann.

16.10. Mweka Gate (1700m)

Die Trinkgelder haben wir am Vorabend an den Guide gegeben und so gibt es nun die offizielle Verabschiedung von der Crew an den Zelten. Der letzte Abstieg geht durch schönen Regenwald mit imposanten Bäumen. In Moshi bekommen wir zum offiziellen Abschluss der Tour noch die Gipfelzertifikate überreicht. Der verdiente Lohn für sechs tolle Trekkingtage.